Review by Norbert B. Vogt

Der dänische Archäologe Steffen Stummann Hansen, der seit vielen Jahren auf den Färöern lebt und im Nationalmuseum in Hoyvík arbeitet, ist in den vergangenen Jahren durch mehrere Bücher und zahlreiche Aufsätze zur färöischen Archäologie und Geschichte hervorgetreten. Zu seinen neuesten Arbeiten gehören drei Aufsätze, in denen sich Stummann Hansen mit der Frühgeschichte der Färöer und den Beziehungen der Färöer zu den Shetland-Inseln auseinandersetzt.

Die Erhellung der Geschichte der Färöer von der Landnahme biz zur Reformation ist ein schwieriges Unterfangen, da schriftliche Quellen für diese Zeit nur spärlich vorhanden sind und auch die Forschungsergebnisse zur materiellen Kultur noch viele Fragen offenlassen. Dies gilt auch für die Baugeschichte der Inseln, die für die Zeit vor der Reformation bisher noch nicht umfassend erforscht wurde. In seinem Aufsatz Early Church Sites in the Faroe Islands. A Survey & a Discussion (in: Acta Archaeologica. Oxford, Bd. 82, 2011, S. 55-80) widmet sich Stummann Hansen einem wichtigen Aspekt der färöischen Geschichte, analysiert Volksüberlieferungen sowie Erkenntnisse der archäologischen und der Ortnamensforschung, um die frühe Kirchentopographie und die religiöse Landschaft der Färöer im Nordatlantischen Kontext zu erhellen.

Stummann Hansen stellt zu Beginn seiner Arbeit fest, dass viele der noch im 19. Jhdt. sichtbaren Kirchenruinen und Friedhöfe mittlerweile durch Überbauung oder Landverlust durch Wellenschlag völlig verschwunden sind, wenngleich diese Orte in der Volksüberlieferung und in Erkenntnissen früherer Grabungen fassbar blieben. Der wichtigste Ansatzpunkt für die Erforschung der frühen Kirchengechichte sind jedoch Orts- oder Flurnamen, die auf eine religiöse Nutzung hinweisen, da sie den Namensbestandteil bønhus (wörtlich: Gebetshaus) enthalten. Nach einem konzisen Abriss der bisherigen Forschungen zum Thema präsentiert der Verfasser 36 Orte, an denen sich aller warscheinlichkeit Kirchenbauten befunden haben müssen, wenngleich in einer Reihe von Fällen keine Baureste mehr vorhanden sind.

Der Verfasser stellt weiter fest, dass die frühen färöischen Kirchenbauten Bautraditionen zeigen, die den in Island und Grönland gefundenen frühen Kirchenbauwerken gleichen. Sowohl die färöischen als auch die isländischen und grönländischen Kirchenbauten können bis auf das späte 10 Jhdt. datiert und als Privat- oder Eigenkirchen charakterisiert werden. Einige der färöischen Kirchensitze scheinen sich von den isländischen und grönländischen dadurch zu unterscheiden, dass sie entweder auf höhergelegenem Gelände, relativ weit von einer Siedlung entfernt, gebaut wurden oder eine wesentlich gröβere Einfriedung aufwiesen. Während die isländischen, grönländischen und die Mehrzahl der färöischen Kirchensitze bezogen auf ihr Gesamtareal einen Durchmesser von 13-30 m hatten, weisen einige färöische Kirchen weitaus gröβere eingefriedete Flächen auf. Stummann Hansen zieht daraus den Schluss, dass hier irische Kirchenbautraditionen überlebt haben, dit mit frühen Siedlern auf die Inseln gelangten.

Der Verfasser schlieβt seine Lesenwerte gut illustrierte und mit einem umfangsreichen Literaturverzeichnis versehene Arbeit mit der Feststellung, dass weitere Ausgrabungen dringend erforderlich sind, um die färöische Geschichte von der Landnahme bis zur Reformation weiter zu erhellen. Dem kann nur zugestimmt werden, Gleiches gilt im Übrigen auch für die frühe Neuzeit, da auch deren Geschichte trotz reichlicher sprudelnden Schriftquellen intensiver archäologischer Erforschung bedarf.

In zwei Aufsätzen befasst sich Stummann Hansen mit den Kontakten zwischen den Färöern und den Shetland-Inseln. In Governor Pløyen and Captain Cameron Mouat (in: The New Shetlander. Lerwick, No. 257, 2011, 23-33) beschreibt der Verfasser die Beziehungen des damaligen färöischen Amtmanns Christian Pløyen zu dem Shetlander Cameron Mouat. Pløyen, der 1830 in das Amt des färöischen Vogtes (fúti) übernahm, interessierte sich in ungewöhnlichem Maβe für die Geschichte und Kultur der Färinger, erlernte die Sprache und tat alles, was in seiner Kraft Stand, die Färinger zu fördern. 1837 wurde er zum dänischen Amtmann auf den Färöern ernannt, gleichzeitig übernahm er das Amt des Kommandanten der kleinen Tórshavner Garnison. Im Sommer 1839 unternahm Pløyen eine berühmt gewordene Reise zu den Shetland-Inseln, auf der ihn drei Färinger begleiteten. Ziel der Reise war, die Lebens- und Wirtschaftsweisen der Shetlander zu studieren und herauszufinden, in welcher Weise die färöische Landwirtschaft, die Fischerei und der Handel von den fortgeschritteneren Shetlandern lernen könnten. Folgen der Reise, über die Pløyen ein beachtenswertes Buch schrieb (Erindringer fra en Reise til Shetlandsøerne, Ørkenøerne og Skotland i Sommeren 1839, Kopenhagen 1840; 1894 erschien eine englische Übersetzung), waren u.a. die Einführung der Langleinen-Fischerei, des shetlandischen Torfspatens und shetlandischer Saatkartoffeln auf den Färöern. Pløyen, der bis 1848 als Amtmann auf den Färöern blieb, später Amtmann in Holbæk wurde und 1867 starb, war der wohl beliebteste Amtmann auf den Färöern und wird bis heute in Ehren gehalten. Stummann Hansen beschreibt in seinem o.g. Aufsatz nicht nur die Reise Pløyens, sondern auch seine persönlichen Beziehungen zu Shetlandern, unter ihnen Captain Cameron Mouat, mit dem ihm ein groβes Interesse an Altertümern verband und mit dem er über viele Jahre in Kontakt blieb. Stummann Hansens Arbeit bietet neben der Beschreibung der Erfahrungen der Shetlands-Reise und der Rolle, die Pløyen als Altertumsforscher spielte (Pløyen stand in regem Kontakt mit dem dänischen Gelehrten Carl Christian Rafn, dem Pionier der skandinavischen Altertumsforschung), eine konzise und lesenswerte Kurzbiographie eines weit über das normale Maβ hinaus engagierten, beliebten und erfolgreichen dänischen Beamten, der von den Färingern bis heute in Ehren gehalten wird.

In einem weiteren Aufsatz mit dem Titel In the footsteps of Governor Pløyen: a Danish-Faroese visit to Shetland in 1899 (in: The New Shetlander. Lerwick, Nr. 259, 2012, S. 25-28) widmet sich Stummann Hansen einer Reise, die 1899 zwei Landwirtschaftexperten, den Dänen Peter Berend Feilberg und den Färinger Rasmus Christoffer Effersøe, zu den Shetland-Inseln führte. Ziel dieser Reise war das Studium der landwirtschaftlichen Verhältnisse und Techniken auf den Shetlands, wobei Effersøe seine Erkenntnisse auf den Färöern umzusetzen versuchte.

Die beiden Aufsätze und viele weitere interessante Arbeiten Stummann Hansens finden sich z.T. als pdf-Dateien auf der empfehlenswerten Homepage des Verfassers, www.historypressfaroeislands.com.

Norbert B. Vogt in Tjaldur. Mitteilungsblatt des Deutsch-Färöischen Freundeskreise e. V. Týskt-Føroyskt Vinafelag. Nr. 47/48/49, p. 267-268. Mülheim/Ruhr 2012.