Review by Norbert B. Vogt

Steffen Stummann Hansen: Toftanes – a Viking-Age Farmstead in Leirvík

Leirvík, Bygdasavnið Gamli Skúli / Steffen Stummann Hansen, 2005 [2008], 52 S., ISBN 99918-3-176-2

Der an der Ostküste der Insel Eysturoy gelegene Ort Leirvík, der Färöertouristen heute vor allem durch den untermeerischen Tunnel nach Klaksvík bekannt ist, der hier seinen Ausgangspunkt hat, gehört zu den ältesten Siedlungen der Färöer. Leirvík hat aber noch einen zweiten Tunnel, den 1985 in Betrieb genommenen Leirvíkartunnil, der den Hausberg von Leirvík, den Ritufjall, durchschneidet und das Dorf mit dem westlich gelegenen Gøtudalur verbindet. Im Zusammenhang mit den Tunnelarbeiten und den Straßenbauarbeiten im Ort wurden 1982 Ausgrabungen in Toftanes, einem der drei alten Siedlungskerne Leirvíks, vorgenommen, da die neue Straße vom Tunnelmund zum Leirvíker Hafen direkt durch die alte Gemarkung führen sollte. Die als Bergungsgrabung begonnenen Arbeiten, die lediglich dazu bestimmt waren, eventuell auftauchende Fundstücke zu sichern, enthüllten bald die Fundamente eines wikingerzeitlichen Bauernhofes, die in den Jahren 1982 bis 1987 aufwendig freigelegt und für die Nachwelt gesichert wurden.

Die Grabung von Toftanes war die erste, mit der der Versuch unternommen wurde, anhand der vorgefundenen Artefakte ein vollständiges Bild der Funktionsweise eines wikingerzeitlichen Hofes und der Lebensweisen seiner Bewohner zu entwerfen. So gewann man ein klareres Bild der Frühgeschichte der Färöer, die aufgrund mangelnder Schriftquellen bis dato nur unzureichend erforscht werden konnte. Der damalige Leiter der Ausgrabungen, der dänische Archäologe Steffen Stummann Hansen, veröffentlichte in den letzten zwanzig Jahren zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über die Auswertung der Funde von Toftanes und ist der maßgebliche Experte für die Grabung und ihre Erkenntnisse. Für das Ortsmuseum in Leirvík, Bygdasavnið Gamli Skúli, stellte Stummann Hansen 2005 ein Büchlein zusammen, in dem er die bisher gesammelten Erkenntnisse über die Wikingersiedlung Toftanes zusammenfasste. Toftanes – a Viking-Age Farmstead in Leirvík erschien mit einiger Verspätung in diesem Jahr in Leirvík.

Stummann Hansen beginnt seine Darstellung mit einem kurzen Überblick über die Topographie Leirvíks und die heutige Besiedlung. Im folgenden Kapitel (The Viking-Age Farmstead, S. 10-14) werden die Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Wikingerhofes vorgestellt, so dass der Leser einen Einblick in den damaligen baulichen Zustand gewinnt. Die Kapitel 3 und 4 (The Artefact Assemblage, S. 15-28, und The Toftanes Environment in the Viking Age, S. 29-37) befassen sich mit den Artefakten der Ausgrabung (u.a. Schmuck, Werkzeug-, Gerät- und Gefäßfragmente, organische Reste wie Saaten und Käfer). Hier gelingt es Stummann Hansen, ein sehr lebendiges Bild von den Lebens- und Wirtschaftsverhältnissen der Bewohner des Hofes in Toftanes zu liefern, das mit zahlreichen anschaulichen Illustrationen wie Fotografien, Rekonstruktionsplänen der Gebäude, vermutlicher Lage des Hofes im Umland u.ä. bereichert und ergänzt wird. Im 5. Kapitel, Christian Vikings at Toftanes? (S. 38-41) stellt der Verfasser die beiden Holzkreuze vor, die in den ältesten Siedlungsschichten der Ausgrabung gefunden wurden, aus dem 10. Jhdt. stammen dürften und damit Anlass zu der Vermutung geben, dass die frühen Siedler der Färöer bereits vor dem Jahr 1000 – zumindest teilweise – den christlichen Glauben angenommen hatten. Dies steht im Gegensatz zu den Ausführungen der Færeyinga saga, nach denen die Färinger erst um das Jahr 1000 christianisiert wurden. Die beiden Kreuze von Toftanes sind die ältesten bisher bekannten Kreuze im nördlichen Teil des Wikingerreiches und daher nicht nur für die Erforschung der färöischen Frühgeschichte von überragender Bedeutung. Ihr Fund in Toftanes stützt auch die von Archäologen und Linguisten geäußerte Vermutung, dass die Färöer nicht nur von Westnorwegen, sondern auch von Irland aus besiedelt wurden. Für diese These sprechen auch einige weitere Artefakte der Grabungen. Stummann Hansen schließt sich dieser Vermutung an und geht davon aus, dass die Färöer bereits in der frühesten Phase ihrer Besiedlung im späten 9. / frühen 10. Jhdt. auch von Christen besiedelt wurden (Kapitel 6: Where did the Settlers at Toftanes originate from?, S. 42-43). Ein Abriss der nachwikingerzeitlichen Entwicklung der Siedlung Toftanes und eine hilfreiche Bibliographie beschließen den Band.

Steffen Stummann Hansen gelang mit seinem schmalen, aber gehaltvollen und im besten Sinne populärwissenschaftlichen Büchlein eine gut lesbare, spannende Einführung in die färöische Frühgeschichte, die neugierig macht auf weitere Erkenntnisses und Entdeckungen. Das letzte Wort über die färöische Frühgeschichte ist noch lange nicht geschrieben, da viele archäologisch bedeutsame Fundstätten zwar bekannt sind, aber noch nicht ausgegraben wurden. Auf deren Ausgrabung und Auswertung darf man mit Recht gespannt sein.

Norbert B. Vogt in Tjaldur. Mitteilungsblatt des Deutsch-Färöischen Freundeskreise e. V. Týskt-Føroyskt Vinafelag. Nr. 41, p. 108-109. Mülheim/Ruhr 2008.